Der heimliche Lebenstanz
Alfred Kubin und der Tod
Alfred Kubin (1877-1959) hat in erster Linie als Zeichner und Illustrator gewirkt. Weit weniger bekannt ist sein literarisches Werk. Gleichwohl hat er mit seinem einzigen Roman Die andere Seite (1909) einen zentralen und äußert einflußreichen Text der literarischen Moderne vorgelegt. An der Doppelbegabung Alfred Kubins kann der elementare Zusammenhang zwischen Wort und Bild, die produktive Symbiose von bildender Kunst und Literatur studiert werden. Besonders vielversprechend ist es, dies auf der Folie eines Themas zu unternehmen, das seit jeher Kunst, Literatur und Philosophie gleichermaßen umtreibt: das Problem des Todes.
Der Tod ist Kubins zentrales Thema, das er in immer neuen Anläufen interpretiert und variiert. Am Anfang des reich illustrierten Bandes steht ein Überblick über die kulturelle Auseinandersetzung mit dem Tod seit dem späten Mittelalter. Der Fokus liegt dabei auf den philosophischen und literarischen Todesbildern, die für das Verständnis von Kubins Werk unmittelbar relevant sind. Auf diese Weise wird der Versuch unternommen, Kubins Werk geistigen und weltanschaulichen Hintergrund – immer im Hinblick auf das Todesproblem – zu rekonstruieren.
In einem zweiten Schritt wird Kubins autobiographische Konfrontation mit dem Tod und – mit wechselnder Schwerpunktsetzung auf Literatur, Philosophie und Kunst – Kubins Kenntnisnahme der künstlerischen und literarischen Tradition dargestellt und erläutert. So wird nachvollziehbar, wie Tradition und eigenes Erleben zu Kubins originärer Gestaltung verschmelzen.